an der nacktbar fiel ich

an der nacktbar fiel ich sofort auf, denn ich war nicht vollkommen nackt. ich hatte mir einen sehr schönen schal elegant um den hals gewickelt, trug sonst aber nichts. den teils fragenden, teils empörten blicken der anderen gäste ausgesetzt, setzte ich mich auf einen der freien hocker an der bar und bestellte mir einen saft.
„wenn sie diesen schal, der zweifelsohne sehr schön ist, nicht ausziehen“, sagte der mann hinter der bar, „darf ich ihnen leider keinen saft geben.“
das fand ich nicht rechtens, denn der barmann war ebenfalls nicht völlig nackt. er trug zwar keinen schal, so wie ich, dafür aber eine schwarze fliege, fein säuberlich um seinen hals gebunden. darauf wies ich ihn hin.
„ich bin hier der barkeeper“, sagte der mann und unterstrich seine worte, in dem er auf eindrucksvolle weise einen cocktail mixte. „ich darf, nein, ich muss sogar eine fliege tragen.“
„und wieso müssen sie das?“, wollte ich von ihm wissen.
„damit man mich von den gästen unterscheiden kann“, sagte er, und ich musste zugeben, das klang einleuchtend.
„hm, gut“, sagte ich daher. „ich würde den schal trotzdem gerne anbehalten. ich, äh… bin nämlich erkältet.“
der barkeeper musterte mich eine weile, bevor er schließlich sagte:
„sie können den schal ruhig ausziehen. sie müssen sich nicht schämen.“
„ich, mich schämen?! haha“, lachte ich und wurde rot. „ich schäme mich doch nicht. wovor auch? ich… ich bin wirklich erkältet.“
ich hustete zwei mal, um zu zeigen, wie schlimm es mich erwischt hatte.
„sehen sie“, röchelte ich. „erkältet.“
„verstehe“, sagte der barmann schließlich. „dann sollten sie jetzt besser nach hause gehen und sich ins bett legen. die beiden herren hier werden sie begleiten. zumindest bis nach draußen.“
noch während er das sagte, tauchten links und rechts zwei männer neben mir auf, die mindestens doppelt so groß und bestimmt dreimal so muskulös waren wie ich, weder schals noch fliegen, dafür aber dunkle sonnenbrillen trugen, sonst nichts.
„sie tragen sonnenbrillen“, meinte ich zu den beiden. „dürfen sie das überhaupt?“, fragte ich ein wenig unüberlegt.
„wir sind hier die rausschmeißer“, sagten die beiden kräftigen kerle nahezu gleichzeitig, packten mich unter den armen und schleiften mich in richtung ausgang. „wir dürfen, nein, wir müssen sogar sonnenbrillen tragen.“
„damit man euch von den gästen unterscheiden kann?“, vermutete ich.
„ja“, antworteten die beiden, während sie mich schwungvoll nach draußen beförderten.

Über christian s.

das, was ich hier hinein schreibe, wird dann später für alle sichtbar sein.
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9 Kommentare zu an der nacktbar fiel ich

  1. AKA sagt:

    Ich kenne das, Herr Kollege: Immer, wenn ich draußen meinen Mitternacktsimbiss einnehme, kommen freundliche Herren und tragen mich weg. Intolerante Gesellschaft.

  2. Julchen sagt:

    Ein Skandal! Welche Farbe hatte der Schal???

  3. Herr Schmidt sagt:

    Was wollten Sie denn mit dem Schal vertuschen?

  4. christian s. sagt:

    oh, das sage ich lieber nicht.

    @julchen – er hatte mehrere farben, unter anderem rot und schwarz.

    @aka – was ist das nur für eine welt?

  5. Ronnie sagt:

    Gerade in der Weihnacktszeit sollte man doch nicht so intolerant sein. Da darf man doch auch mal eine Weihnacktsmütze anziehen oder einen Schlips tragen. Anders sieht es zur Fastnacktzeit aus. Da darf man (anders wie der Name es erwarten lässt) nichts tragen. Ich hoffe, ich konnte Sie aufklären.

  6. Herr Schmidt sagt:

    Ronnie, Du erzählst wahrlich gute Nackgeschichten. In diesem Sinne gute Nackt!

  7. <°((( ~~< sagt:

    An der Tür wartete ein weiterer Mitarbeiter, fast nackt, bis auf die Turnschuhe. An den Füßen – wo sonst?

    Noch bevor der Herr Grob sich eine Theorie über die Lizenz zum Turnschuhtragen bilden konnte sagte der Mann:
    „Sie brauchen erst gar nicht zu diskutieren: Ich bin hier, um den widerspenstigen Gästen einen Tritt in den Hintern zu verpassen.“
    „Und die Turnschuhe sind, damit man sie von den übrigen Gästen unterscheiden kann, richtig?“
    „Nein, damit meine Füße nach einem harten Arbeitstag in den Hintern der Gäste nicht so übel riechen.“

    Dann waltete er seines Amtes.

  8. Erdge Schoss sagt:

    Wenn’s denn, werter Herr Grob, ein recht flauschig gehäkelter Winterschal
    war, der die Landung erträglicher machte, hätte sich das Schaltragen
    insgesamt gelohnt.

    Herzlich
    Ihr Erdge Schoss

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